In Uganda gibt sich Oppositionsführer Kizza Besigye endgültig geschlagen: Mit 68 Prozent gewann Präsident Yoweri Museveni die Wahl. Er hat viel investiert in seinen Sieg. Die Staatskasse ist nun leer.
Bevor Rose Mirembe nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse ihren Gemüseladen in Ugandas Hauptstadt Kampala aufmacht, erkundigt sie sich bei ihren Nachbarn: „Wird es nun Krieg geben oder nicht?“ Als sie erfährt, dass Präsident Yoweri Museveni die Präsidentschaftswahl am 18. Februar mit 68 Prozent gewonnen hat, lächelt sie erleichtert. „Gott beschütze ihn“, sagt sie und sortiert ihre Tomaten.
Die 24-Jährige hat am Wahltag ihr Kreuz für Museveni gemacht. Der Grund: „Sonst wird es Chaos geben und ich muss doch zum Markt, um Tomaten zu besorgen.“ Auch an Mirembes Gemüseladen waren Soldaten vorbeimarschiert. Das habe sie eingeschüchtert, gibt sie zu. Denn Unruhen – das kann sich die Mutter von drei Kindern nicht leisten. Sie lebt von rund zwei Dollar pro Tag, die sie am Gemüsestand verdient.
Tagelang herrschte vor der Wahl eine gespenstische Stimmung: Die sonst so staugeplagten Straßen waren wie leer gefegt; Gemüseläden wie der von Mirembe geschlossen. Wer es sich leisten konnte, hatte Benzin und Lebensmittel auf Vorrat besorgt. Als eine Kolonne neuer Tränengaswerfer durch die Innenstadt rollte und bewaffnete Polizisten in schusssicheren Westen ihre Posten bezogen, wurde den HauptstädterInnen klar: Man muss mit dem Schlimmsten rechnen. Die Medienberichte von den Revolutionen in Tunesien und Ägypten verunsicherten UganderInnen wie Mirembe zusätzlich. Kampala hat in den vergangenen Jahren mehrfach Ausschreitungen erlebt, bei den Revolten im Jahr 2009 starben über 20 Menschen.
Die Angst vor Unruhen kam nicht von ungefähr: Musevenis Erzrivale, Kizza Besigye, der als Spitzenkandidat eines Bündnisses von Oppositionsparteien (IPC) ins Rennen geschickt wurde, hatte sich in seinem Wahlkampf auf Ägypten bezogen: „Wenn die Menschen lange genug unterdrückt werden, dann entlädt sich ihr Ärger.“ Bereits im Vorfeld hatte er die Wahl als „nicht frei und fair“ bezeichnet, jedoch angekündigt, er werde nicht wieder vor Gericht ziehen. Nach den Wahlen 2006 hatte das Gericht bestätigt, dass es Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Doch das Ergebnis wurde nicht annulliert. Dieses Mal werde er „andere Optionen ausprobieren“, so Besigye.
Präsident Museveni, seit mehr als 25 Jahren an der Macht, entgegnete siegessicher: „Ich werde nicht zulassen, dass Besigye und seine Massen meinen Plan vermasseln.“ Das Regime zeigte sich hoch gerüstet: 51.000 Polizisten waren im Einsatz, 170.000 „Verbrechens-Bekämpfer“ wurden trainiert: Männer mit Schlagstöcken, die an Wahllokalen postiert waren.
Dabei war zuvor der Wahlkampf erstaunlich ruhig verlaufen. Bei den Wahlen 2006 war Besigye mehrfach verhaftet worden: wegen angeblicher Vergewaltigung, Staatsverrats und Terrorismus. Alle Anklagen wurden später fallen gelassen. Dass er dieses Mal in Ruhe gelassen wurde, raubte ihm die Aura des gegeißelten Opfers. Dennoch verzeichnete Besigye Zulauf bei der arbeitslosen Jugend in den Städten. Er gab sich als Staatsmann, wetterte gegen Korruption und Vetternwirtschaft. „Der Wandel wird kommen“, versprach er. Doch daraus wurde nichts: Er holte nur 26 Prozent. Bei den Wahlen 2006 hatte er noch 37 Prozent erhalten.
Das war eine schlimme Niederlage. StrategInnen in der IPC waren sich sicher, sie könnten Museveni systematische Wahlfälschung nachweisen, um die Massen zu Protesten zu mobilisieren. Noch am Wahltag sprach Vieles dafür, dass der IPC dies gelingen könnte: Die Wahlurnen trafen morgens zu spät ein. Als am Abend die Wahllokale schlossen, hatten zahlreiche UganderInnen noch nicht abgestimmt – die Frustration war groß. Aus Angst vor Manipulation bei der Auszählung in den knapp 24.000 Wahllokalen bestanden die WählerInnen darauf, dass die WahlhelferInnen jeden Stimmzettel öffentlich vorzeigten, als sie diese zählten.
Doch Besigye verpasste die Gelegenheit, die Frustration zu nutzen. Stattdessen versuchten dessen WahlhelferInnen, ihre eigenen Hochrechnungen zu machen. In einer geheimen Zentrale begannen nach Schließung der Wahllokale StudentInnen, die Ergebnisse zu zählen. Per SMS schickten IPC-WahlbeobachterInnen ihre eigenen Resultate aus. Doch dann brach das SMS-System zusammen. Die IPC beschuldigt die Regierung, die Verbindung gekappt zu haben. Die letzten Ergebnisse aus lediglich 5.000 Wahllokalen besagten: Museveni 62 Prozent; Besigye 33 Prozent. Nun musste auch Besigye einsehen, dass er nicht gewinnen konnte. Von den angekündigten Aktionen war plötzlich keine Rede mehr. Dies ist das politische Aus für Besigye, laut seiner Parteiverfassung darf er nur zwei Mal als Spitzenkandidat antreten.
Museveni erhielt dagegen mehr Stimmen als je zuvor: Er gewann gegenüber 2006 knapp zehn Prozent. Dies zeigt einmal mehr: Ostafrikas längstdienendes Staatsoberhaupt ist ein Mann des Volkes, der Menschen wie Gemüseverkäuferin Mirembe stets das verspricht, was sie benötigen. Frieden und Stabilität haben ihm gewaltigen Zulauf im bislang oppositionstreuen Norduganda verschafft, das nach über 20 Jahren Bürgerkrieg mit der Widerstandsarmee des Herren (LRA) erstmals Normalität erlebt.
In dem seit 25 Jahren etablierten Klientelsystem weiß zudem jeder: Wer nicht loyal ist, kriegt nichts. So zog Museveni während seiner Wahlkampftour durch die Dörfer und versprach StudentInnen kostenlose Bildung, Alten eine Rente, armen Familien Stromanschlüsse und VerwaltungsbeamtInnen neue Jobs: Allein 2010 hat er 24 neue Bezirke geschaffen, die bei den Wahlen alle treu für ihn stimmten.
Ein Propellerflugzeug beschallte die Hauptstädter mit Musevenis Rapsong. Einen Rap aufzunehmen – das war ein kluger Schachzug des 66-jährigen Präsidenten. Fast 80 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Davon haben sich drei Millionen als WählerInnen registriert, von 14 Millionen Registrierten insgesamt. Der Rap hatte Museveni Pluspunkte verschafft: Er läuft in Diskotheken, viele haben ihn als Handy-Klingelton installiert.
Musevenis Partei NRM (Nationale Widerstandsbewegung) hatte sämtliche Ressourcen mobilisiert: Mützen, T-Shirts, Hühner und sogar Geldbündel wurden verteilt. Abgeordnete fanden 20 Millionen Uganda Schilling (umgerechnet ca. 6.000 Euro) auf ihren Konten, mit welchen sie Wahlkampf treiben sollten. Oppositionelle wollten die „Bestechung“ zurückzahlen. Doch niemand will wissen, wo das Geld herkam. Gleichzeitig musste Finanzministerin Syda Bbumba die Regierung für bankrott erklären: Den Ministerien ging das Papier aus, im Staatskrankenhaus musste das Wasser abgestellt werden – kurz nachdem das Parlament zusätzlich 260 Millionen US-Dollar für die Wahlen bereitgestellt hatte. „Die Manipulation durch Geld hat einen Level erreicht, den wir noch nie gesehen haben“, sagt John Odoy, Direktor von DEMgroup, einem Bündnis lokaler NGOs zur Wahlbeobachtung.
Die Misswirtschaft bemerken auch die UganderInnen, denn die Nahrungsmittelpreise steigen täglich. Gemüseverkäuferin Mirembe erzählt: Hundert Tomaten kosteten einst 20.000 Schilling (umgerechnet ca. 6 Euro). Der Preis stieg am Tag vor den Wahlen auf 35.000 (ca. 10 Euro). Plötzlich musste Gemüsefrau Mirembe feststellen: Jetzt bekommt man wieder die alten Geldscheine ausgehändigt, die 2010 gegen frische Banknoten in neuen Farben ausgetauscht wurden. Scheinbar hat die Zentralbank einfach das alte Geld wieder freigegeben.
Dass nun die Regierung mit einer leeren Staatskasse in die neue Amtszeit startet, löst in Kampala keine Panik aus. Auch dann nicht, wenn Museveni die Versprechungen von neuen Straßen und kostenloser Bildung nicht einhalten kann. Hier weiß man: Wenn 2012 die Ölproduktion beginnt, werden die Dollars schon fließen. Damit ließe sich auch die Abhängigkeit von den westlichen Geberländern reduzieren. Ugandas Staatshaushalt speist sich zu rund einem Drittel aus Entwicklungsgeldern, vor allem aus Europa. EU-WahlbeobachterInnen hatten die Wahlen stark kritisiert – noch bevor das Ergebnis feststand. Doch dann trafen dennoch Glückwünsche aus London und Washington ein. Westliche Ölfirmen liefern sich derzeit ein Rennen um Förderlizenzen. Mit Museveni, der Ölverträge als Chefsache handhabt, will man es sich lieber nicht verscherzen. Denn auch chinesische Firmen haben bereits Interesse angemeldet.
Simone Schlindwein ist Journalistin in der Region der Großen Seen. Sie lebt seit über zwei Jahren in Uganda und reist regelmäßig nach Südsudan, Burundi, Ruanda und in den Ostkongo.
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